"Verzerrung" klingt entweder nach Gitarrenmusik oder nach "kaputt". Doch auch im Mastering lassen sich Verzerrungen gezielt einsetzen. Besonders Röhren und Übertrager sind Bauteile, die Obertöne generieren, die vom Ohr als angenehm und warm empfunden werden. Um eine Mischung etwas ""dicker" zu bekommen, werden bewusste harmonische Verzerrungen erzeugt. Dass mit dieser Art der Bearbeitung meist auch eine gewisse Kompression einhergeht, ist dabei ein positiver Nebeneffekt.
Sehr beliebt ist mittlerweile die Verwendung von Plug-Ins, die Mastersektionen großer und teurer Analogpulte nachahmen. Ganz besonders aber sind es Mastering-Bandmaschinen, die einen besonderen klanglichen Reiz ausmachen. Wer sich Anschaffung und Unterhalt nicht leisten will, kann heutzutage auf sehr gute Plug-Ins zurückgreifen, die den kompletten Weg eines Signals bis auf das Magnetband und zurück nachahmen – mitsamt der Änderungen im Pegel- und Phasenfrequenzgang und den Sättigungs- und Kompressionseffekten.
Derartige Effekte werden mehrheitlich zu den Psychoakustik-Effekten gezählt, also denjenigen, die die Eigenheiten des Gehörs geschickt ausnutzen. Eine besonders häufig genutzte Gattung sind Psychoakustik-Limiter. Im Wesentlichen ist dies ein Multiband-Limiter, der in separaten Frequenzbereichen, die vom Gehör separat analysiert werden, die Energie maximieren kann. Dadurch kann der Lautheitseindruck enorm hoch werden, allerdings sollte man auch hier nicht übertreiben, da früher oder später Artefakte wie clipping hörbar werden, wodurch der Klangeindruck harsch und unangenehm werden kann.
Um im Tiefbass nicht zu viel Energie aufwenden zu müssen, aber trotzdem einen tiefen Eindruck zu bekommen, wird gerne ein weiterer Psychoakustik-Trick angewendet: Das Gehör ist in der Lage, einen fehlenden Grundton eines Signals zu rekonstruieren, weil er physikalisch gesehen zum Signal dazugehört. Dieser Residualeffekt sorgt beispielsweise dafür, dass wir die tiefsten Grundtöne eines Kontrabasses hören, obwohl das Instrument fast nur die zugehörigen Obertöne ausgibt. Ein Bass-Enhancer macht sich dies zunutze, indem er Obertöne generiert und den Grundton verringert.
Wenn Du glaubst, dass ein Hallgerät im Mastering fehl am Platz ist: Nein! Ein Reverb kann, sparsam und gezielt eingesetzt, mit den Reflexionen einen "gemeinsamen Raum" für die Mischung erzeugen. Außerdem kann eine Hallfahne verdichten und den "Kitt" zwischen Instrumenten liefern.