Ban­din­terview: Cain John­son

23.12.2015
Musikvideo und Interview mit Cain Johnson

Wywiad

Mit welcher Musik bist du aufgewachsen?

CAIN JOHNSON: Zunächst war es jegliche Musik, die aus dem Radio schalte, als Kind hatte man noch nicht so viel Platten. Als ich mein erstes Kassettenradio bekam, entdeckte ich gleichzeitig die Liebe zur elektronischen Musik und natürlich gehörte Depeche Mode auch dazu. Ich suchte relativ schnell nach weiteren Alternativen außerhalb des Popbereichs und fand sie in Bands wie Nine Inch Nails, Front 242, Haujobb oder Dance or Die, die mich viele Jahre begleitet haben.


Kannst du uns deine drei absoluten Lieblingsplatten/-produktionen nennen? Alben, die du nach einem harten Tag anhörst. Und wenn du dich auf die Couch hockst und der erste Ton erklingt, dann ist deine Welt wieder in Ordnung.

CAIN JOHNSON: Die drei Album, die ich mir momentan regelmäßig anhöre, sind Other Live mit Other Live, Rome mit Flowers from Exile und Asaf Avidan mit Goldshadow. Das hat mit der Musik, mit der ich aufgewachsen bin noch wenig zu tun, aber das Leben steht nicht still und es gibt zu viele Eindrücke, deren man sich nicht verwehren sollte.


Was hat es mit Cain Johnson auf sich? Pseudonym, amerikanische Roots, Bibelfreund?

CAIN JOHNSON: Ja, dass ist ein Pseudonym. Das gehört zum kompletten Neuanfang, quasi dem RESET. Ich suchte nach einem Namen, der einen schönen Klang hat, so wie eben Johnny Cash und der sich auch so positionieren lässt.


Und wie ist der Titel deines Debütalbums RESET zu verstehen? Einen Reset macht man, wenn man neu anfängt, etwas auf Anfang stellt, das bis dato Vorhandene ablegt und etwas anderes beginnt, bzw. das Vorhandene komplett neu überdenkt.

CAIN JOHNSON: Ja, und genauso ist es. Zum einen fange ich selbst, wenn man von meinem Privatleben absieht, komplett neu an. Ich bin seit 25 Jahren im Musikgeschäft. 2011, nach einer langen Pause wollte ich eigentlich schon neu anfangen, aber es kam noch mal ein Album unserer Band, bevor der Stil sich komplett änderte und 2013 Cain Johnson geboren wurde. Das Konzept des Neuanfangs setze ich in meinen Texten und der Musik fort. Mein Neuanfang ist lächerlich gegen den, den wir viel dringender bräuchten, einen gesellschaftlichen Reset. Denn wir fahren alles, was wir haben langsam aber sicher an die Wand und momentan ist das der einzige Planet, den wir haben. Dabei ist es egal, was es ist, Umwelt, Krieg, Armut. Eigentlich ist es nur noch Wahnsinn, was passiert und wie wir mit Menschen und der Natur umgehen. Wir brauchen den Reset und er wird auch kommen, nur können wir jetzt noch entscheiden, ob mit uns oder ohne uns.


Dein neues Video CORRUPT aus besagtem Album ist eine klassische Westernproduktion und im Sound wirkt es wie eine Mischung aus Massive Attack und Ennio Morricones Original-Score zu SPIEL MIR DAS LIED VON TOD, wozu wir später noch kommen. Worum geht's in CORRUPT?

CAIN JOHNSON: CORRUPT ist die heutige Sichtweise von jemandem, der nicht dem Mainstream hinterherjagt. Die Message ist: warum soll man immer das tun, was alle machen, warum soll nur dies richtig und gut sein, wenn man sieht, wo wir uns hin bewegen? Jeder sollte seine Individualität wahren, sich nicht korrumpieren lassen. Natürlich gibt es immer eine Anpassung oder ein Angleichen an etwas, aber die Ideale, die man selbst besitzt, die eigentlich jeder in irgendeiner Weise besessen hat, sollte man nicht verkaufen. Von der Schule und auch früher an, versucht man die Menschen konform zu machen, dass Raster ist mit den Jahren immer enger geworden, in dem man sich bewegen darf, um von der Gesellschaft noch akzeptiert zu werden.


Und wo um Himmels Willen hast du eine solch authentische, in Sepia gefärbte Filmproduktion realisiert? Erzähl uns Video-Nerds alles Wissenswerte zu dem Clip!

CAIN JOHNSON: Da fragt ihr den Richtigen, wir haben mit einer kleinen Ausrüstung von Kameras und einem kleinen Hebekran in der Westernstadt im Eldorado Templin gestanden und einfach schöne Sequenzen gedreht, manchmal gleich in Slomotion. Die schöne Farbe sowie der Schnitt des Videos wurde dann später mit Final Cut gemacht, dafür war Chris Mayer, mein liebster Produzent, verantwortlich. Er ist Multitalent.


Was erwartet den geneigten Zuhörer, wenn er sich voll und ganz auf RESET einlässt?

CAIN JOHNSON: Es ist ein Album mit den verschiedensten Einflüssen wie Ambient, Blues, Electro, Jazz und Rock, dabei aber völlig unaufgeregt, keine Suche nach dem experimentellsten Sound, sondern fein arrangiert und immer wieder überraschend. Man kann sich zurück lehnen, lauschen und sich von den eher dunklen Mustern leiten und vielleicht auch ein wenig nachdenklich stimmen lassen. Ein Album für den zweiten Blick, dann aber konsequent.


Wie bist du an den Sound rangegangen? Gab es Vorbilder für diesen Bombast-Minimalismus? Jeder Sound ist so griffig wie frisch gebackene Cornflakes, jeder Ton hat einen Punch, der einem wirklich reinfährt. Gab es diese Vorstellung vom Sound schon bevor du angefangen hast, das Album zu produzieren? Hattest du Vorbilder?

CAIN JOHNSON: Ich hatte eine klare Vorstellung von dem, was ich machen will aber nicht wie es klingen sollte. Beim ersten Versuch kam auch noch ein komplett anderes Album raus, wonach ich merkte, dass die letzte Story noch nicht zu Ende erzählt war. Beim zweiten Versuch hat es nun wunderbar geklappt und wir ließen uns im Studio im Endeffekt einfach nur treiben nach dem Motto weniger ist mehr. Die Genauigkeit des Sounds, das Arrangement habe ich meinem Produzenten Chris Mayer von chriscontrol zu verdanken. Ich bin nur der Musiker. Dass der Sound genau auf dem Punkt sitzt, ist sein verdienst. Kein Wunder, dies macht er auch schon seit Jahrzehnten und eigentlich ist es kein Projekt mehr von mir, sondern ein gemeinsames, weil wir beide viel Energie rein stecken. Er ist der Tüftler, ich hauche das Leben ein, eine super Arbeitsteilung.


Das ist eine gute Stelle um nach der Hard- und Software für die Produktion zu fragen. Mach mit uns einen virtuellen Rundgang durch dein Studio.

CAIN JOHNSON: Tja, was soll man da sagen, zwei einfache Keyboardtastaturen zum einspielen und viele Softwareplugins :-) Man sagt heute zurecht, dass man nicht mehr viel braucht und alles einfacher geworden ist. Das eigene Handwerk und die Beherrschung dessen, nimmt einen aber zum Glück noch keiner ab, wenn man zumindest anders klingen möchte. Dazu hatten wir noch ein Mikro, mit dem wir alles aufgenommen haben, was in irgendeiner Weise einen Sound ergeben hat, wie eine Tiefkühl- und Kühlschranktür, ein Kaminbesen, ein Geschirrspüler, drehendes Kabel und vieles mehr.


Wo hast du es produziert?

CAIN JOHNSON: Die Basis des ganzen haben wir in Dänemark aufgenommen. Dort hatten wir uns ein Ferienhaus gemietet und konnten in der Herbst/Winterzeit ordentlich krach machen, da keiner mehr außer uns dort war. Chris und ich haben dort zu zweit die Songs geschrieben, es war die kreativste Session, die ich je hatte, da man einfach nirgends mehr abgelenkt wurde, mal von der Filmbibliothek abgesehen. Die meisten Songs von Reset sind dort entstanden. Der Rest wurde dann in Fehmarn, auf der schönen Ostseeinsel aufgenommen sowie bearbeitet. Dort wurden dann einige Sequenzen wo es passte von Originalinstrumenten ersetzt, wie Bass, Gitarre und Schlagzeug. Der Background wurde eingesungen und fertig war RESET. Es hört sich leichter an als es ist :-) Sicherlich hätten wir gerne noch mehr dran gemacht, aber irgendwann sind auch die finanziellen Ressourcen mal aufgebraucht. Ich habe noch einiges im Kopf und versuche dies im kommenden Album umzusetzen. RESET ist noch ganz frisch, aber da ich keine Tour plane, sind wir in kürze schon wieder im Studio, wahrscheinlich in Hamburg dieses mal.


Cain, wenn man in deine Welt eintaucht, wird einem klar, dass du mit der Glitzerwelt des Popzirkus — mehr Schein, weniger Sein — nicht wirklich etwas am Hut hast. Es geht dir offensichtlich um eine langfristige Perspektive, um eine Nachhaltigkeit des Handels. Wie brenzlig sieht es deiner Meinung nach um uns und was kann Kunst, was kann der Künstler dagegen machen? Mal ganz abgesehen davon, dass all proceeds from this album [RESET. Anm. der Redaktion] will be donated to the international childrens charity World Vision.

CAIN JOHNSON: Wenn ich jetzt nur die letzten zwei Jahre nehme, habe ich das Gefühl, dass dieser Strudel, der uns nach unten zieht noch einiges an Fahrt zugenommen hat. Diejenigen, denen es z.B. eher um Geld, Macht und Reichtum geht, verstecken sich kaum noch, wenn Sie ihre schlechten Geschäfte machen, da sie kaum noch Konsequenzen fürchten müssen. Relativ offen wird der Wert des Menschen immer weiter reduziert. Es wird sicherlich noch viele Jahre weiter gehen, die Frage ist nur, zu welchem Preis und ist sich da jeder sicher, dass er dabei sein wird und nicht mit runter fällt? Als Mensch oder Künstler kann man eigentlich nur eines machen, um eventuell erfolgreich zu sein: vorleben!! Natürlich versuche ich eine Botschaft zu übermitteln, aber dies ist schwerer zu vermitteln, als wenn man einfach etwas vorlebt.


Wie kommt es zu einer solch großzügigen Haltung? Als Musiker lebt man nicht nur von Luft und Liebe! Oder bis du der Erbe eines sich ständig vermehrenden Vermögens, welches dir diese Freiheiten gönnt?!?

CAIN JOHNSON: Ja, reich bin ich an Erfahrung :-) Ich würde viel lieber nur Musik machen aber es hat noch nie gereicht und es wird auch nicht reichen. Dennoch kann ich aber sagen, mir geht es gut, ich kann alles bezahlen, was ich zum Leben brauche. Der Weg ist steinig, aber wir sollten auch Abstriche machen können, damit es anderen wenigstens so gut geht, dass sie nicht verhungern müssen. Das meinte ich auch mit Vorleben, ich kann nicht von anderen erwarten, wenn ich nur eine Botschaft verschicke, dass sie etwas tun. Aber vielleicht ändert sich die Meinung, wenn man sieht, dass da jemand mehr macht, als nur etwas zu sagen. Daher verzichte ich ja auch auf alle Einnahmen und trage sämtliche Kosten selbst, damit ab dem ersten Cent auch was Gutes passieren kann und im Endeffekt trägt dann jeder dazu bei. Und sollte dabei wider erwarten eine Million zusammen kommen, frage ich World Vision, ob sie dann meine kommenden Albumkosten vielleicht tragen wollen :-) Es soll auch keine einmalige Sache werden, aber natürlich schaffe ich es nicht zu jedem Album einen fünfstelligen Betrag zusammen zu sparen, da muss ich auch zugeben, dass es hart wird, dies als Regel hinzustellen. Da muss ich mir für die Zukunft dann was einfallen lassen. Aber erst mal zählt das jetzt.


Hast du einen Plan, um der drohenden Selbstvernichtung zu entgehen?

CAIN JOHNSON: Mein eigener Plan ist bewusster zu leben, daran arbeite ich seit vielen Jahren. Es geht ja nicht drum, alles in Perfektion zu betreiben oder der perfekte Mensch zu werden. Das ist gar nicht möglich. Aber bewusster seine Umwelt wahrzunehmen und danach zu handeln, dies würde eine größere Veränderung der Welt mit sich bringen, als man glaubt. Es müssen nur mehr werden, die das tun. Ich will da gar keine Belehrung starten, jeder soll für sich selbst entscheiden, wie er etwas verändern kann oder mitmachen möchte. Wichtig ist nur, man sollte etwas tun. Und wenn es nur das meiden von Unternehmen ist, die weder menschliche, noch gesellschaftliche Werte besitzen. Nicht umsonst werden jährlich zwei Billionen EUR an Steuergeldern in Europa um die Ecke gebracht. Und viele unterstützen diese Unternehmen und wettern dennoch gegen diejenigen, die sich nicht wehren können. Ein Umdenken wäre sinnvoll.


LINK: c-tube Profil von CAIN JOHNSON