Instrumentenbau Musikwinkel
Musikwinkel – 350-jährige Instrumentenbaukunst

Musikwinkel – 350-jährige Instrumentenbaukunst

Instrumentenmacher der Weltklasse findet ihr im Vogtland im südlichsten Zipfel von Sachsen. An keinem anderen Ort in Europa gibt es so viele Instrumentenbauer wie hier. Die Städte Markneukirchen, Erlbach, Klingenthal, Adorf, Schöneck mitsamt den kleineren Gemeinden der Region sind bekannt als „Musikwinkel“. Gemeinsam mit Schönbach und Graslitz auf böhmischer Seite konzentrierten und konzentrieren sich hier seit fast 350 Jahren unterschiedlichste hochkarätige Instrumentenbauer. Seit Jahrhunderten ist der Musikwinkel gelebte Instrumentenbaukunst. 🎻⚒


Musikwinkel – Präzisionsfertigung im südlichsten Zipfel von Sachsen

Den Anfang im heutigen Musikwinkel machten zwölf Geigenbaumeister, die sich in Markneukirchen ansiedelten und 1677 zu einer Geigenmacher-Innung zusammenschlossen. Es war die erste Instrumentenbauerinnung in Deutschland. Und somit gilt das Jahr als Geburtsstunde des vogtländischen Musikinstrumentenbaus. Nachdem sich Bogenbauer, Saitenfabrikanten, Holzblasinstrumenten- und Waldhornbauer in der Stadt niederließen, wurde bereits um das Jahr 1800 die gesamte Palette klassischer Orchesterinstrumente hergestellt und verkauft. Hinzu kamen unmittelbar in Markneukirchen als auch den benachbarten Orten und Gemeinden diverse weitere meisterhafte Hersteller. So wurden und werden etwa in Klingenthal seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Harmonika-Instrumente wie Mundharmonikas, Akkordeons, Handharmonikas, Konzertinas und Bandoneons gefertigt. Welche Präzision dabei gefordert ist? Nun, allein für die perfekte Stimmung eines Akkordeons der Marke Weltmeister benötigt der Feinstimmer dreieinhalb Stunden.

Instrumentenbau bei GEWA

Instrumentenbau bei GEWA, Foto: GEWA

 

Musikwinkel – Das Vogtland als Zentrum des Musikinstrumentenbaus

Ab dem 19. Jahrhundert wurde der „Musikwinkel“ zum Zentrum des Instrumentenbaus. Mehr als 11.000 Handwerker stellten klangvolle Schönheiten für Liebhaber in aller Welt her. Tatsächlich hatten die Instrumente aus den Ortschaften im Vogtland im 20. Jahrhundert in diversen spezialisierten Branchen einen Marktanteil von rund 50 Prozent. Aktuell bilden ca. 115 Betriebe mit mehr als 1.000 Beschäftigten den wohl bedeutendsten Standort des Musikinstrumentenbaus in Europa. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wird das gesamte Orchesterinstrumentarium hergestellt, vertrieben, fachkompetent repariert und sogar restauriert. Sicherlich hat sich im Laufe der Jahrhunderte vieles verändert. Doch noch immer erklingt aus vielen Werkstätten Musik aus Meisterhand. Im Dezember 2014 wurde der vogtländische Musikinstrumentenbau in Markneukirchen und Umgebung offiziell in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen.

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Von Pionieren zu Weltmarktführern ihrer Spezialdisziplin

Weltmeister in Klingenthal war die erste Akkordeonmanufaktur der Welt und ist die einzige, die weiterhin in Deutschland in Serie produziert. Ein Akkordeon besteht durchschnittlich aus rund 2.800 Einzelteilen, die hier Schritt für Schritt in Handarbeit zusammengesetzt werden. Ebenso gibt es in Markneukirchen heutzutage zwanzig Hersteller, die Trompeten, Hörner, Posaunen und weitere Blechblasinstrumente anfertigen, wozu beispielsweise die deutsche Meisterwerkstatt für Metallblasinstrumente Jürgen Voigt gehört, die inzwischen von Kerstin Voigt in der 11. Generation geführt wird, oder die Buffet Crampon Deutschland GmbH, immerhin nichts Geringeres als der Weltmarktführer in mehreren Instrumentengruppen u. a. von Profiholzblasinstrumenten.

Buffet Crampon BCXXI Bb-Clarinet 19/6

Buffet Crampon BCXXI Bb-Clarinet 19/6


GEWA music in Adorf zum Global-Player gewachsen

In Adorf befindet sich ebenfalls der Sitz von GEWA music, einem längst weltweit agierenden Unternehmen, das 1925 mit dem Bau und Verkauf handgefertigter Geigen sowie deren Etuis und Koffer begonnen hatte. Als Folge des zweiten Weltkrieges war GEWA music vorübergehend gezwungen, den Standort ins bayerische Mittenwald zu verlegen. Nach der deutschen Wiedereinigung ging es bis zur vollständigen Rückverlegung im Jahre 2008 Schritt für Schritt zurück nach Adorf im sächsischen Musikwinkel.

Gewa G9 E-Drum Set Pro 5 SE Silver

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Aufgrund der Vertriebsrechte für zahlreiche Marken gehört das von Hans-Peter Messner und Marcel Messner geführte Unternehmen nicht mehr nur im Vogtland zu den ganz Großen. GEWA music fertigt und vertreibt die komplette Bandbreite von Einsteiger- bis zu professionell hochwertigen Streichinstrumenten mitsamt Koffern sowie Etuis, Digital-Pianos und Schlagzeuge und vieles mehr. Entwicklung, Einkauf, Produktion, Vertrieb und Marketing: Alles aus einer Hand direkt aus dem sächsischen Zentrum des Instrumentenbaus.

 

Musikinstrumentenbauer: duale Ausbildung und Studienfach

Traditionelle Handwerkskunst im Musikwinkel benötigt selbstverständlich Nachwuchs. Auch in dieser Hinsicht ist das Vogtland stark aufgestellt, obschon der Beruf des Musikinstrumentenbauers seit jeher zu den eher selteneren gehört. So werden in traditionellen Handwerksbetrieben und der Industrie historische und moderne Techniken des Instrumentenbaus vermittelt. Zugleich werden die dafür notwendigen theoretischen Grundlagen von den Azubis in der dualen Ausbildung am Beruflichen Schulzentrum Vogtland erworben. Mit der entsprechenden Qualifikation kann es an der Westsächsischen Hochschule Markneukirchen mit dem Studiengang Musikinstrumentenbau bis zum diplomierten Instrumentenbauer weitergehen.

 

Geschichte des Musikinstrumentenbaus sichtbar gemacht

Gezeigt wird die Geschichte des vogtländischen Instrumentenbaus im Musikinstrumentenmuseum Markneukirchen. In den Räumen des Museum werden mehr als 4.000 Musikinstrumente präsentiert, die allesamt ihre eigene Historie auf dem musikalischen Buckel haben. Darunter befinden sich ebenfalls etwa 250 Exponate sämtlicher Kontinente, außerdem Exoten und Kuriositäten, Einzelstücke des Musikinstrumentenbaus wie Rieseninstrumente und Miniaturen. Nicht zu vergessen, dass in den Räumen des Museums im spätbarocken Bürgerhaus rund 7.000 Bücher und Handschriften sowie etwa 1.000 historische Tonträger ausgestellt sind. Gleichfalls könnt ihr euch bei einer Führung im historischen Sägewerk aus der Dampfmaschinenzeit über die Art, Beschaffenheit und Verwendung von Holz im Instrumentenbau informieren.

GEWA früher

Das Unternehmen GEWA früher

Firmeneigene Produktion von GEWA

Firmeneigene Produktion von GEWA

Die Firma GEWA heute

Die Firma GEWA heute

Um in den Himmel zu gelangen, braucht man eine Geige

Wie Musikinstrumente entstehen, könnt ihr im Musikwinkel übrigens auch vor Ort live miterleben und bestaunen. Und zwar in der „Erlebniswelt Musikinstrumentenbau“ in Markneukirchen, die von dem Verein Musicon Valley e. V. betrieben wird. In den drei Schauwerkstätten Geige, Kontrabass und Blechblas wird live vorgeführt, wie beispielsweise das Metall für eine Tuba rund wird, wie der Kopf für einen Kontrabass kunstvoll verziert wird und weshalb der Himmel voller Geigen hängt. Unter Leitung von Simone von der Ohe und Frank Bilz werden darüber hinaus Erlebnisreisen zu Meisterbetrieben organisiert, bei denen sich der Zauber des Instrumentenbaus in allen Facetten und Produktionsschritten hautnah erleben lässt. In der Erlebniswelt als auch in den Meisterbetrieben vor Ort trifft musikinteressierter Tourismus auf traditionelle Handwerkskunst.


Euer Feedback: Musikwinkel

Also dann, der Musikwinkel ist mit den zahlreichen Instrumentenbauern, Manufakturen und musikalischen Attraktionen ganz sicher eine Reise wert. Seid ihr schon dort gewesen? Wenn ja, was hat euch besonders gefallen? Oder würdet ihr euch das gerne einmal anschauen? Wir freuen uns auf eure Kommentare!

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Franziska startete ihre Musiklaufbahn an der Violine und ist heute musikalisch zwischen Smetana und In Flames zu Hause. In ihrer Freizeit engagiert sie sich in allerlei Kulturbereichen und lebt ihre Leidenschaft - die Kunst - in all ihren Facetten.

9 Kommentare

    Instrumente zu bauen ist Gottes Segen, ich habe auch ein bißchen abbekommen, baue Griechische Bouzoukis..

    Vielen Dank für diesen wunderbaren Beitrag! Diese schönen und traditionellen Handwerke müssen unbedingt erhalten bleiben! Es geht mir immer das Herz auf, wenn ich ein Instrument in der Hand halte, und darauf spielen darf, weil ich selbst weiß, was es für Schweiß, Arbeit,Zeit und Liebe zum Detail kostet, um so ein Kunstwerk zum Leben zu erwecken. Auch als kleiner Hobbyist. Der Musikwinkel ist der Holy Ground, Inspiration,Geburtsstunde neuer Meister und lebendige Geschichte für den Musikinstrumentenbau und Musiker.

    Gerne doch, Michael. Lieben Dank für dein Feedback! Das hast du schön geschrieben. 🥰 Ja, der Musikwinkel ist ein beeindruckendes Fleckchen in Deutschland …

    Ein interessanter Beitrag!! Sachsen ist fast schon ein bisschen Heimat für mich, daher hat es mich gefreut, dass dieses Fleckchen Erde hier mal im Mittelpunkt steht! Und die Geschichte des Musikwinkels ist wirklich beeindruckend!!

    Oh ja, da hast du recht, ist sie. Vielen Dank für deine Zeilen, liebe Nicole! 🥰

    Beste Grooves aus Treppendorf 😉

    Immerhin stammt auch Chr.Fried. Martin aus Markneukirchen. Nach Problemen mit der Innung ging der gelernte Geigen- und Gitarrenbauer nach Amerika. Martingitarren sind heute der Inbegriff für hochwertige Steelstrings. Das Museum in Markneukirchen hat die Bedeutung bis heute nicht erkannt . Es gibt nur in einer Ecke eine Gitarre, die an der großen Sohn der Stadt erinnert.

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