Modeling-Amps für Gitarre

Modeling-Amps für Gitarre

Ein einzelner Ampsound ist oft nicht genug. Vor allem bei Gitarristen, die in Top 40 Bands spielen, ist der Bedarf an unterschiedlichen Klängen gewaltig, denn dort ist mittlerweile von ultracleanen Funky-Sounds bis zur knallharten Mid-Scoop-Metal-Säge alles gefragt. Marshall und Vox sind für die Highlights aus den 70ern sowieso unerlässlich. Da ist natürlich die Lösung mit einem Amp, der eine große Palette an Sounds abdecken kann, äußerst sinnvoll. Kaum einer von uns tut sich den Stress an und schleppt jedes Wochenende wenigstens drei Verstärker zum Gig inklusive Lautsprecherboxen und einer Armada von Effektpedalen. Aber auch für das Üben in den heimischen vier Wänden ist ein variabel klingender Gitarrenverstärker keine schlechte Sache. Ein Modeling-Amp kann für viele die All-In-One-Lösung sein, zumal das Angebot an amtlichen Verstärkern dieser Machart mittlerweile sehr breit gefächert ist. Der folgende Beitrag soll etwas Licht ins Dunkle bringen und euch die Suche nach dem idealen Soundgenerator erleichtern.


 

Geschichte

Unter Amp-Modeling versteht man die digitale Nachbildung von (Röhren-) Verstärkern. Dies geschieht durch detailgetreue Analyse der Original-Amps in den Laboren der verschiedenen Hersteller. Dort wird sozusagen ein digitaler Fingerabdruck des Amps erstellt, der sich in punkto Klang und Reaktionsvermögen am Original orientiert. Mittlerweile sind die digitalen Prozessoren sehr leistungsstark und auch viele versierte Gitarristen sind nicht mehr in der Lage, bei einem Blindtest Original und digitale Nachbildung zu unterscheiden. Die Modeling-Welle wurde vom amerikanischen Hersteller Line 6 losgetreten, der den AxSYS 212 1996 auf den Markt brachte, aber erst mit dem POD (1998) den Siegeszug der Amp-Modeler startete. Boss hatte zur relativ gleichen Zeit mit dem GP-100 ein Multi-Effekt mit Modeling-Amps im Programm und die hauseigene COSM-Technologie wurde später in die Cube-Amps transferiert. Mit dem Micro Cube produzierte die Schwesterfirma Roland dann 2004 einen preiswerten Klassiker, einen kleinen Übungsverstärker mit einigen Ampmodellen, der bis heute gebaut wird und in Zimmerlautstärke sogar gut klingende High-Gain-Sounds abliefert. Diese Amps sind zwar für Anfänger gut geeignet, aber auch viele professionelle Gitarristen nutzen den kleinen Würfel als Übungs- oder Warm-Up-Combo.

Roland Micro Cube GX BK

Roland Micro Cube GX BK

Modeling-Amps waren und sind zwar überwiegend als Übungsverstärker im Einsatz, aber 2012 trat der deutsche Hersteller Kemper auf die Bildfläche, der für den nächsten Meilenstein sorgte. Während man bei den anderen Herstellern auf die integrierten Amp-Modelle angewiesen war, hat der Gitarrist bei Kemper Profiler selbst die Möglichkeit, sogenannte Profile von Gitarrenverstärkern zu erstellen. Das eröffnete völlig neue Möglichkeiten und mittlerweile bietet Kemper den Profiler auch mit Endstufe als komplettes Topteil an. Eine ähnliche Konzeption verfolgt der erst 2016 vorgestellte Bias Head von Positive Grid.

Was sollte man beachten?

Modeling-Amps gibt es inzwischen in allen Größen und Preisklassen und es stellt sich die Frage, was für den eigenen Gebrauch wichtig ist und auf welche Features man verzichten kann. Deshalb hier einige Anhaltspunkte:

Einsatzbereich

Das wichtigste Kriterium ist naturgemäß der Einsatzbereich. Soll der Amp nur zu Hause zum Üben benutzt werden, dann reicht ein recht kleines Modell, denn hier werden keine hohen Lautstärken benötigt. Will man mit dem Modeling-Amp auch mal bei der Probe auftauchen und Bass und Drums Paroli bieten, dann sollte er schon etwas Power mitbringen. Hier solltet ihr bedenken, dass die Leistung (Schalldruck) eines Röhrenverstärkers mit dem eines Transistor- oder Modeling-Amps nicht gleichzusetzen ist. 30 Röhrenwatt haben deutlich mehr Muskeln als ein 30 Watt Amp mit Transistor-Endstufe. Wenn euer Drummer und Bassist etwas beherzter zuschlagen, dann nehmt lieber einen leistungsfähigeren Verstärker.

Amp-Modelle

Die nächste Überlegung ist die Anzahl und Auswahl der Amp-Modelle, die euer Verstärker mitbringen oder speichern soll, also die Frage, welche Sounds euch besonders wichtig sind und worauf ihr eher verzichten könnt. Dazu muss aber gesagt werden, dass mittlerweile alle Hersteller eine sehr gute Bandbreite anbieten, mit der man im aktuellen Top-40-Geschäft alle Sounds abdecken kann. Mir sind ehrlich gesagt die Amps lieber, die eine kleinere Auswahl an Amp-Modellen bieten, die dafür im Einzelnen aber qualitativ hochwertiger sind.

Fender Mustang III V.2

Fender Mustang III V.2

 

Effekte

Bei den meisten Modeling-Amps ist eine Effektsektion an Bord. Hier solltet ihr überlegen, was ihr für eure Klangvorstellungen benötigt und vor allem, wie gut und detailliert das Ganze regelbar sein soll. Bei den einfachen Amps können die Effekte mit einem einzigen Regler eingestellt werden – für programmierfaule Gitarristen eine ideale Lösung. Aber wer etwas tiefer in seine Effektsounds einsteigen möchte, der braucht den Zugriff auf mehrere Parameter pro Effekt. Eine Tap-Funktion für Tempo-Delay-Effekte ist auf jeden Fall sinnvoll.

Speicher & Fußschalter

Wenn ihr plant, den Amp in der Probe oder auf der Bühne einzusetzen, sollten diverse Sounds auch per Fußschalter steuerbar sein. Für den professionellen Einsatz ist ein großer Speicher mit komfortabler Steuerung der einzelnen Presets Pflicht.

Anschlüsse – Recording

Eine sehr wichtiger und für viele Gitarristen vielleicht der wichtigste Aspekt ist das Spielgefühl und die Interaktion mit dem Verstärker. In dieser Hinsicht hat jeder seine eigenen Vorstellungen und Vorlieben. Ihr solltet aber testen, ob sich zum Beispiel der Zerrgrad bei den Mid-Gain-Modellen über den Anschlag oder das Volume-Poti an der Gitarre steuern lässt. Bei High-Gain-Modellen sollte der Bassbereich nicht mulmig klingen und die Clean-Amp-Modelle sollten auch noch unverzerrt sein, wenn ihr den Amp zum Beispiel in höheren Lautstärken mit der Band spielt.

Blackstar ID:Core Stereo 20 V2

Blackstar ID:Core Stereo 20 V2


Bedienung & Extras

Bei einigen Modeling Amps besteht die Möglichkeit, den Verstärker recht komfortabel über eine Computer-App oder am Tablet z. B. über eine Bluetooth-Verbindung einzustellen. Außerdem können dann Audio-Dateien aus dem Musikprogramm des angeschlossenen Gerätes komfortabel über den Verstärker abgespielt werden. Wenn ihr oft Songs raushört oder mit den Originalen oder Jamtracks spielt, ist es natürlich von der Bedienung her etwas einfacher, alles bequem am Tablet einstellen zu können.

Checkliste

Hier ist noch einmal zur besseren Übersicht eine kleine Checkliste mit den Dingen, die relevant sind, um euch die Auswahl und die Entscheidung zu einem Modeling-Amp etwas zu erleichtern.

  • Einsatzbereich/Leistung
  • Amp-Modelle
  • Effekte
  • Regelmöglichkeiten der Effekte
  • Speicherplätze
  • Fußschalter
  • Expression-Anschluss zur Steuerung von Volume oder Wah-Effekten
  • Kopfhörer
  • Aux-in
  • USB für Recording
  • Speaker-out
  • Bedienung über Computer/Tablet

 

Das Angebot

Mittlerweile ist das Angebot an Modeling-Amps immens, da viele Traditionshersteller, die normalerweise für Glühkolben-Verstärker bekannt sind, ebenfalls ins Modeling-Geschäft eingestiegen sind. Hier einige Vorschläge für die unterschiedlichen Anwendungsgebiete:

Übungsamps

Zum Üben zu Hause eignen sich der Roland Micro Cube GXBlackstar ID Core Stereo 20 V2, der Yamaha THR 10c und der Line 6 Spider Classic perfekt.

Line6 Spider Classic

Line6 Spider Classic

Mittelklasse

Etwas leistungsstärkere Übungsamps, die man auch mal zur Bandprobe mitnehmen kann, sind beispielsweise der Fender Mustang III V2, der Marshall Code 50 und der Blackstar ID Core 100.

Marshall Code 50

Marshall Code 50


Oberklasse

Für die Bühne empfehlen wir beispielsweise diese Modeling-Amps, die natürlich auch zu Hause gespielt werden können ?: den Line 6 Firehawk 1500, der Kemper Profiler PowerheadPositive Grid Bias Head oder den DV Mark Multiamp Mono.

DV Mark Multiamp Mono

DV Mark Multiamp Mono


Mehr zum Thema erfahrt ihr in unserem Online-Ratgeber unter diesem Link.

 

Author’s gravatar
Meon ist Gitarrist und Blogger. Er arbeitet seit 7 Jahren bei Thomann und ist permanent von Musik, Musikern und Instrumenten umgeben.

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