Flatwound Bass Saiten – ein unterbewerteter Klassiker

Flatwound Bass Saiten – ein unterbewerteter Klassiker

Ja, Flatwound-Saiten, auf dem Bass, das ist cool! Sicher hat der großartige Dokumentarfilm „Standing in the Shadows of Motown (2002)“ dafür gesorgt, dass viele Musiker diesen speziellen Sound ausprobiert haben. Viele Zuschauer kamen wahrscheinlich zu diesem Ergebnis: Flatwounds erzeugen einen besonderen Sound, der für 60er-Jahre Soul, alten Blues oder Soul-Musik geeignet ist … Aber jeder, der glaubt, dass dies der einzige Sound ist, denn man bekommt, unterschätzt die Flatwound-Saiten enorm! Ihre Entwicklung und Anwendung hat sich dramatisch weiterentwickelt, Flats sind heute in vielen Variationen erhältlich und können praktisch in jedem Musikgenre eingesetzt werden. Manche eignen sich sogar zum Slappen!


Ein bisschen Geschichte

Machen wir zunächst einen kleinen Umweg in die Geschichte. Flatwound-Saiten sind mit einem flachen (engl.: flat) Draht umwickelt, daher der Name. Ältere Bassisten kennen sie vielleicht noch als „polished Strings“ (polierte Saiten), ein überholter Name, der auch nicht wirklich passend ist.

Flatwounds sind die Saiten, mit denen die erste Serie elektrischer Bässe, Fenders Precision Bass, bespannt war. Das war die einzig mögliche Variante, denn Roundwounds wurden erst ein Jahrzehnt später erfunden und von Rotosound mit der Hilfe von Bassisten wie John Entwhistle (The Who) auf den Markt gebracht. Das Bass-Solo von „My Generation“ ist ein historischer Wendepunkt für die Welt des elektrischen Basses. Endlich konnte mal ein Bassist im Vordergrund stehen. ?

Und hier kommt der Punkt: Entwhistles Bass-Solo hätte mit Flatwounds gar nicht großartig anders geklungen. Der Sound ist leicht verzerrt, was genug Obertöne erzeugt. Vielleicht nutzte John Roundwounds, weil sie leichter zu spielen sind. Aber das bedeutet, dass er mehr Energie beim Spielen benötigte, um vor der restlichen Band gehört zu werden. Andererseits erreichte James Jamerson, ein Bassist bei Motown Records, ein ähnliches Ergebnis mit einem P-Bass, der direkt ins Pult (DI) gestöpselt über einen Röhrenkompressor und, selbstverständlich, mit einem Satz Ultra-Hard Flatwounds von LaBella bespannt war. Klingt nach Power, aber schau, wie ruhig und weich er spielt:

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Flatwounds vs. Half-Roundwounds vs. Roundwounds

Ja, wir müssen zugeben: Flatwounds klingen weicher und wärmer als Roundwounds, zumindest meistens. Manche nennen den Sound vielleicht „stumpf“, aber das trifft es nicht. Flatwounds haben einen gesunden Anteil an hohen Frequenzen, aber das ist nicht der Hauptschwerpunkt. Im Vordergrund gibt es eher einen bassigen Boost, den man bei einer Roundwound-Saite nur zu gerne hätte. Half-Roundwound-Saiten, wie du dir wahrscheinlich vorstellen kannst, sind das Mittelding zwischen den beiden und haben Eigenschaften von beiden Extremen.

roundwound, half-roundwound and flatwound strings

Nichtsdestoweniger liefern zumindest die modernen Flatwounds, wie die D’Addario Chromes oder die Ernie Ball Cobalt, einen gesunden, hochfrequenten Crunch, wenn man sie richtig spielt. Heißt: Slappen wäre damit überhaupt kein Problem. Es mag ein bisschen anders als normalerweise klingen, aber die Funktion ist erfüllt. Aber du musst dafür richtig hart arbeiten, denn Flats sind, sagen wir mal, ein bisschen steifer im Handling. Aus diesem Grund empfiehlt sich Slapping nur als High-Speed-Technik für sehr erfahrene Spieler. Wie dieser hier, Alex Lofoco:

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Die wirklich interessante Sache ist jedoch die Mid-Range, die eine erstaunliche Präsenz bietet. Gibt es sowas wie intelligente Bass-Saiten? Flatwounds scheinen sich zu verhalten, als wären sie es: Ganz unten liefern sie ein fettes, warmes Fundament, auf dem sich andere Instrumente sicher fühlen. Ganz oben lassen sie genug Raum für brutzelnde Gitarren und schimmernde Cymbals. Und in der Mitte suchen sie nach einem Loch, durch das sie schlüpfen können, um selbst in einem dichten Arrangement stets gut gehört zu werden, ohne aufdringlich zu sein.

Was ist mit diesen schwarzen Bass-Saiten?

Du meinst Nylon Tapewound (oder Black Nylon) Saiten? Die wurden 1962 von James How erfunden, da Kontrabass-Spieler nach Saiten verlangten, mit denen sie E-Bass spielen und Kontrabass-Sound erzeugen konnten. Sie erzeugen einen sehr schönen tiefen und warmen Klang. Schau dir das Video unten an, Mo Foster demonstriert, wie die Rotosound Tru Bass 88 Black Nylon Saiten klingen:

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Also haben Flatwounds gar keine Nachteile?

Doch, es gibt ein paar Nachteile. Als erstes klingt es oft uninspiriert und ein bisschen dumpf, wenn du einen Flatwound-bestückten Bass allein ohne eine Band spielst. Sie sind definitiv Team-Player, die ihre Stärken im Band-Kontext zeigen, besonders auf der Bühne.

Andererseits sind die meisten Flatwounds oft ziemlich „steife Drähte“ und sie verlangen oft Stärke und Ausdauer. Wer jemals einen Satz Steve Harris Signature oder die zuvor erwähnten James-Jamerson-La-Bellas unter seinen Fingern hatte, weiß, was wir meinen – das sind wirklich Saiten für „harte Jungs“ – und selbstverständlich „harte Mädels“. Aber das stimmt definitiv nicht für alle. Carol Kaye, die Studio-Legende aus den USA, spielt auch Flatwounds, aber die sehr leicht zu spielenden Thomastik-Saiten. Aber ist ihr Sound weniger beeindruckend? Auf keinen Fall!

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Und zuletzt sind Flatwounds spürbar teurer als Roundwounds. Aber sie halten auch länger. Klaus Voormann zum Beispiel (Freund der Beatles und Bassist für Carly Simon, Manfred Mann, John Lennon und andere) hatte einen Früh-60er Precision Bass. Die Saiten, mit denen er damals bespannt wurde und mit denen Klaus das Intro-Lick zu You’re So Vain aufnahm, sind angeblich immer noch drauf. Und frag außerdem mal Kontrabass-Spieler, was deren Saiten kosten. Für den Preis eines Satzes Fender Flats bekommen die nicht mal eine vernünftige G-Saite …

Einfach probieren!

Wir empfehlen: Probiere diese Saiten einfach mal aus. Besorg dir zum Beispiel einen günstigen Satz Fender Flats, zieh sie auf und lernt euch ein paar Wochen lang kennen. Dann wirst du süchtig, wie es zahllose andere Bass-Spieler geworden sind. Du kannst uns später danken.


Schau dir das Video unten, in dem Julia die Sounds verschiedener Saiten auf demselben Bass vergleicht, für ein verdeutlichendes Beispiel an:

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Author’s gravatar
Dominic hat als E-Gitarrist einer Alternative-Rockband etliche Clubs im deutschsprachigen Raum unsicher gemacht (die wenigsten davon mussten anschließend zu machen). Mit seiner Unplugged-Band steht er auch heute noch regelmäßig auf der Bühne.

2 Kommentare

    My favorit strings are: Galli EB45130 5 STRINGS MEDIUM procoated. They work for month and month and month … without loosing their great tone. But you made me eager in trying flatwounds on my Sandberg VM II. When I was 15 (1974), my first Klira bass was equiped with flats. I ruined the frets by using roundwounds 🙁

    Ich hatte auch immer gedacht, Flatwounds wären vor allem was für die gedeckteren Töne, die im Soul ganz gut kommen. Habe auf meinen P-Bass welche aufgezogen (Labellas) und spiele die jetzt sogar in meiner Stonerrock-Band. Zur Hälfte spiele ich clean, der Bass setzt sich in der Probe wunderbar durch. Kann bestätigen, was in dem Artikel steht: Der Bass findet irgendwie genau seine Lücke. Und zur anderen Hälfte spiele ich mit Fuzz, und auch dafür sind die Flatwounds geeignet – sie haben genug Mitten, aus denen das Big Muff was machen kann.
    Einziger Nachteil: Man muss aufpassen, dass man nicht ein bisschen faul wird (oder unaufmerksam), wenn man einen Bass mit Roundwounds spielt. Man muss sich konzentrieren, um beim Saitenrutschen nicht zu viele Nebengeräusche zu produzieren (ein Problem, das man bei Flats nicht hat).

Schreibe einen Kommentar

ANZEIGE